beginnt an der Quelle Ain et Turab, doch schon hier beginnen die Ungereimtheiten.
Während in den ersten Karten der Europäischen Reisenden, sowie in deren Literatur die Quelle deutlich weiter östlich und damit Wadiaufwärts entspringt (G.Schumacher spricht von 550 m asl), ist die mindestens seit 1940 zu lokalisierende heutige Quellfassung bei einer Höhe von 439m asl mindestens 800m entfernt davon zu finden. Ob die heute durch einen Qanat unbekannter Länge an der Straße "Ain et Turab" genannte Quelle tatsächlich die Ursprüngliche ist, oder bereits ein Teil des 2. Aquäduktes konnte selbst nach mehrfachen Begehungen und Recherchen nicht sicher geklärt werden.
Sicher ist die Quellschüttung reichte aus und wurde nachweislich zur Versorgung der hellenistischen Siedlung Gadara bis zum Bau des Qanat Fir'aun genutzt. Es wird davon ausgegangen, dass über die gesamte Länge oder eventuell nur an einigen Abschnitten das Wasser im Tunnel und darin in Rohleitungen geführt wurde.
Hier folgt nun die 2. Problemstellung dieser Aquäduktverbindung, auch Qanat Turab genannt. Durch die schwierige Topographie und den zu überwindenden Höhenunterschied von 86,4m bei einer Länge von ~26,5km wurden diverse Bauschächte benötigt. Im Wadi Ain et Turab, bzw. dessen unterem Verlauf dem Wadi Samar bishin nach Gadara finden sich allerdings 2 Tunnelsysteme, welche zeitlich nicht eindeutig voneinander unterschieden werden können.
Nach dem Auffinden eines 2. Tunnelsystems unter Gadara schlich sich ein Fehler in der Literatur ein, welcher immer von 2 m Höhenunterschied der Tunnel zueinander sprach. Da das 2. ,vermeintlich höher gelegene ,Tunnelsystem in Gadara nachweislich nach dem 1. errichtet wurde und scheinbar unvollendet blieb, übernahmen alle folgenden Wissenschaftler und Archäologen diese Annahme auch für den sogenannten Überlandaquäduktbereich. Der obere Aquädukttunnel, welcher im oberen Wadibereich bis zu 40m höher liegt als der Untere, wurde so zum "Unvollendeten" bzw. zu einem "Baufehler" gemacht.
Ob diese auch im Buch von M. Döring wieder aufgegriffene Deutung korrekt ist, möchte ich Anhand von zusammengefassten und belegbaren Fakten zur Diskussion stellen.
Zuvor hier eine Ausschnitt des Längsschnittes , auch hieraus kann der Betrachter möglicherweise schon erkennen, ob der Abschnitt rechts der roten Linie zu dem oberen oder unteren Abschnitt links passt.
- Der Höhenunterschied am Übergabepunkt Brücke (oder auch Brücken) in Gadara ist für beide Stadttunnel nachweislich nahezu gleich und kann nicht als Begründung herangezogen werden.
- Der plausiblere Längsschnitt, ergibt sich bei der Verbindung der oberen Aquädukttrasse zwischen Ain Et Turab und dem Zielpunkt am Brückenende in Gadara.
Hierbei ergibt sich ein mittleres Gefälle von 3,3 ‰ , ein maximales von 2 % auf max. 1km Länge und ein geringstes gemessenes Gefälle von 1,48 ‰ kurz vor Umm Qeis. - Bei Verbindung der Quelle mit der unteren Leitung und der Fortführung bis an den gleichen Punkt in Gadara stellt sich dagegen folgendes
dar: mittleres Gefälle 3,0 ‰ ( durch längere Strecke ~29,3km), ein maximales Gefälle von >3,4 PROZENT und auf weite Strecken ein minimales Gefälle von 0,126 Promille (mehrere hochgenaue Messpunkte auf 9,63 km Länge) - weshalb sollte die alte hellenistische Leitung im Bereich der Wadiquerung die Talsohle unterschneiden? Das ist weder durch Notwendigkeiten begründbar (ein Seitenwechsel wäre Wadiaufwärts völlig problemlos möglich gewesen) und bringt zudem erhöhte Probleme bei der Wasserhaltung (Abdichtung gegenüber Oberflächenwasser) und erschwerte Baubedingungen. Genau diese Unterschneidung liegt aber beim unteren Tunnel vor!
hier bereits ein Zwischenresümee: Die von M.Döring vorgeschlagene "Neunutzung" des unteren Tunnels durch den neuen Aquädukt von Syrien, ist nicht plausibel! Dies würde voraussetzen, dass bereits zu hellenistischer Zeit die Quelle Ain Turab, ohne begründbare Notwendigkeit, auf einer Höhentrasse geführt worden ist, welche zu dieser Zeit so nicht baubar gewesen wäre. Egal ob als Freispiegelleitung oder im Rohr geführt ist mir aus hellenistischer Zeit kein Aquädukt weltweit mit einem Gefälle von 12,5 cm pro km bekannt. (Hinweise sind willkommen) Gleichsam verhält es sich mit dem Absenken ohne "Not" auf den ersten rund 900m unterhalb der Quelle um 3,4 % bei gleichsam wesentlich schwierigeren Baubedingungen durch die Führung in und unter der Wadisohle.
Das Argument der äußerlich ähnlichen Bauschächte vor und hinter der Wadi et Turab Querung ist nicht stichhaltig, nachweislich wurden die Querschnitte, sowohl der Bauschächte wie auch des Tunnels ständig entsprechend den Anforderungen geändert und angepasst. Selbst im hier betrachteten Wadi Et Turab/Samar gibt es Tunnelhöhen von 70 cm bis 4m, Fließbreiten von 40 cm bis 1,2m und schmale offenliegende Bereiche gegenüber Samar,welche von Tunnelabschnitten mit deutlich größerer Dimension abgelöst werden. Siehe auch unter Wadi et Turab.
es gibt aber noch weitere wichtige Fakten:
- auf mehreren Abschnitten und auf ununterbrochener Länge von 19 km hat der Qanat Fir'aun, wie der untere Tunnel ein sehr geringes Gefälle von deutlich unter 0,17 ‰. Über ähnlich lange Bereiche wie der untere Tunnel sogar unter 0,11 ‰. Dies ist eine Präzision, welche nur durch Mehrfachmessung und mit hochpräzisen Geräten nach der Zeitenwende erreicht werden konnte.
- die ingenieurtechnische Meisterleistung des Qanat Fir'aun besteht darin, dass es von vornherein geplant und auch gelungen ist, nahezu jede im Verlauf der Trasse liegende Quelle mit einzubinden. Dies gilt sowohl für die solitäre Trasse des Qanat Fir'aun bis zum Erreichen des Wadi et Turab, wie auch für den unteren Tunnel mit mind. 7 aufgenommenen Quellen und deren Schüttung. Der obere Tunnel bindet jedoch nicht eine einzige Quelle ein.
- es wird im Allgemeinen angenommen, dass die alte hellenistische Leitung das Wasser über ein innenliegendes Rohr führte, doch müssten bei ständig wechselnder, wenn auch geringer Schüttung von weiteren mind. 7 Quellen, auch die Rohrdimensionen angepasst werden. Oder es müssten zumindest Überleitungsbecken, als kleine Reservoires, an jeder der Quellen vorhanden sein. All dies ist an keiner Stelle jemals aufgefunden oder beschrieben worden. Weshalb sollte dann schon für die hellenistische Nutzungsphase, diese wesentlich schwierigere und längere Trassenführung gewählt worden sein?
- Ein weiterer wichtiger Fakt ist, mindestens "ein" sowohl von S. Kerner und der Hochschule Karlsruhe, wie auch vom Projektteam des Qanat Fir'aun aufgefundener und eingemessener Bauschacht auf der Wadi Südseite oberhalb der Querung des unteren Tunnels.
Diese markante Querung ist in der bereits beschriebenen eingeschütteten Bauweise, mittels einer künstlich errichteten Sohlstufe errichtet worden.
Der Bauschacht mit einer um 180 Grad umläufigen Treppe, wurde wie vielfach im Verlauf des Qanat Fir'aun etwas außermittig der Fließrinne des Wadis errichtet und erscheint in Bauart und Anschluss an den Tunnel gleichen Alters. Da auch im weiteren Verlauf keine Ausarbeitungen oder Abgänge im Tunnel darauf hindeuten, dass dieser Tunnelbereich auf der Südseite des Wadihanges einen Zulauf von der Ain et Turab hatte, schloss M.Döring daraus, dass auch die Wadiquerung ursprünglich zur unteren, seiner Einschätzung nach hellenistischen, Leitungsführung gehörte. Die von mehreren Projektgruppen jedoch nachgewiesenen Bauschächte (mind. ein Bauschacht), beweisen allerdings eindeutig, dass es eine Leitung zur Ain et Turab auf der Südseite gegeben haben muss und diese nur mit der ursprünglichen oberen Leitung vor dem begonnenen Umbau verbunden gewesen sein kann. Somit kommt auch hierfür als ältere Leitung nur das obere Tunnelsystem in frage.
Gegen diese hier von mir vorgetragene These und für die konsistente Planung von Qanat Fir'aun und damit auch dem unterem Tunnel bis Gadara, gibt es nach meinem Wissen keine Faktenlage. Doch stelle ich sie hiermit gern zur Diskussion.
Es stellt sich in der Folgerung die Frage, ob der abgeworfene obere Tunnel im Wadi Ain et Turab, welcher obendrein auf der gesamten Länge bis Gadara und in nachweislich vielerlei Baulosen errichtet wurde, tatsächlich nur ein nie genutzter "Baufehler" war ?
Wie aus den oben zusammengetragenen Fakten für jeden erkennbar ist, ist für die hellenistische Zeit der obere Tunnel ohne zusätzliche Zwischeneinspeisungen mit etwas höherem, aber dafür stetigerem Gefälle die plausiblere Lösung, gerade weil auch in wenigen Bereichen noch ein Verputz aufzufinden war.
Fakt ist, der obere Tunnel ist in einer Bauphase aufgeben worden! Nahezu über die gesamte Länge sind entgegen der sonstigen Gepflogenheiten die Bauschächte unverschlossen und durch davorliegenden Bauschutt "gekennzeichnet".
Die Lösung findet sich in dem auch oft mit "Chaostunnel", vom Pilottunnel her"aufgeweitet" und "entgegen der Fließrichtung" ansteigenden, beschriebenem Abschnitt dieses Tunnels im Bereich Ibdar. Meiner Einschätzung nach wurde der obere Qanattunnel tatsächlich zur Versorgung Gadaras in hellenistischer Zeit bzw. bis zum Bau des Qanat Fir'aun genutzt. ( ob mit oder ohne Rohrführung sei hier nicht geklärt ;-)) Dann wurde versucht den vorhandenen Querschnitt, welcher vermutlich ursprünglich deutlich kleiner war zu erweitern, und das Gefälle der neuen ankommenden Qanat Fir'aun Trasse anzupassen. Dabei wurde das vorhandene Gefälle verringert und es entstanden die bis zu 5m hohen zweistöckigen Querschnitte. Beim Abgleich der Daten fiel jedoch auf , dass der ankommende neue Qanat Fir'aun durch das schon ohnehin sehr geringe Gefälle und die notwendige Linienführung nicht mit den maximal machbaren Änderungen der alten oberen Trasse übereinstimmen konnte. Zu diesem Zeitpunkt wurde der alte Qanattunnel komplett aufgegeben und nur kurz vor Gadara, lange Zeit später, noch einmal nachgenutzt.
Die Trassierung und die Trassierungeigenschaften wurden jedoch auch nach dem Bergtunnel "Dahr Defur" im Wadi Ain et Turab weiter eingehalten und umgesetzt, sowohl Quelleneinbindung, wie auch Gefälle erhielten so ein konsistentes Ingenieurtechnisches Bild.
Hier finden Sie den Link zum Ende des Qanat Fir'aun an den Brücken vor Gadara.
Zur Ergänzung möchte ich hier nochmals bekräftigen, dass ich eine konstruktive Kritik dieser These wünsche und würde auch gern hierfür die korrekten Vermessungsergebnisse des Projektes etc. bereitstellen. Die im Buch "Wasser für die Dekapolis" von M.Döring verwendeten und von den real gemessenen Höhen um bis zu 4,50m "angepassten" Werte sind so nachweislich nicht existent. Diese alternativen Fakten zur Ermittlung der Gefälle im Buch, dienten dort wohl eher der Absicht das Wasser stets im Sinne der "beabsichtigten Thesen" fließen zu lassen.